Noch hängt der Morgendunst über den Olivenbäumen des Kidrontals, als die Jünger den auferstandenen Herrn zum Gipfel des Ölbergs begleiten. Vierzig Tage lang hatte er ihnen „viele Beweise“ seiner Lebendigkeit gegeben (Apg 1,3); jetzt hebt er die Hände zum Segen, und eine Wolke – das biblische Chiffre göttlicher Gegenwart – nimmt ihn ihren Augen weg (Apg 1,9). Zwei Engel klären die verwirrte Gruppe auf: „Dieser Jesus wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt hingehen sehen.“ Himmelfahrt ist also kein Abschied, sondern eine Pendelbewegung – Vorhut der Wiederkunft.
Die Erhöhung des Menschensohnes
Die Kirchenväter sprechen von einer „zweifachen Bewegung“: descensio zu Weihnachten, ascensio an diesem Tag. In der ersten nimmt Gott die Niedrigkeit des Menschen an; in der zweiten nimmt er die Würde des Menschen mit in den Himmel. „Der mit uns war, bleibt nicht ohne uns,“ kommentiert Leo der Große. Seit Himmelfahrt sitzt ein verwundeter, aber verherrlichter Menschenleib „zur Rechten des Vaters“ (Mk 16,19). Damit ist die Schöpfung endgültig in die Trinität eingebettet – der höchste Adelstitel für Materie.
KKK 665–667 fasst es zusammen: Die Himmelfahrt markiert das definitive Eintreten der menschlichen Natur Christi in die göttliche Herrlichkeit; von dort lenkt er nun die Geschichte als Haupt seines Leibes, der Kirche.
Nicht Abwesenheit, sondern Herrschaft
„Warum steht ihr da und starrt zum Himmel?“ (Apg 1,11) – eine sanfte Rüge an alle frommen Wolkenschauer. Der weggehende Jesus bleibt: im Wort, in den Sakramenten, in den Geringsten (Mt 25). Himmelfahrt verschiebt seine Präsenz vom Lokalen ins Universale. Paulus beschreibt es dynamisch: „Er stieg hinauf … um das All zu erfüllen“ (Eph 4,10). Der neue Ort Jesu heißt Weltkirche.
Die Geburtsstunde des Auftrags
Vor der Wolke spricht Jesus seine Magna Charta: „Mir ist alle Vollmacht gegeben … Darum geht!“ (Mt 28,18 ff). Sendung gründet in königlicher Autorität: Nicht wir „machen“ Mission, sondern der erhöhte Herr expandiert sein Reich durch uns. Die elf waren unqualifiziert – aber genau darin liegt die Pointe: Macht gründet nicht mehr in Muskel oder Gold, sondern in der Gegenwart des Auferstandenen.
Drei Imperative der Erhöhten Liebe
Geht – Brich aus der Komfortzone lokaler Gewohnheiten aus.
Macht zu Jüngern – Keine Fans, keine Klienten, sondern Lernende des Gekreuzigten.
Lehrt zu bewahren – Nicht Info-Transfer, sondern Lebensform, gespeist aus Taufe und Eucharistie.
Zwischen Wolke und Feuer
Himmelfahrt spannt einen zehntägigen Resonanzraum bis Pfingsten. Die Kirche hält „geistlichen Atem an“ – novene der ersten Stunde. Himmel ist dabei nicht Astrophysik, sondern Beziehungsbegriff: Jesus geht zum Vater, damit der Geist zum Menschen kann. Jede echte Novene ist Wiederholung dieses Ur-Wartens.
Ethik der erhobenen Köpfe
Wer Kopf und Herz mit Christus droben weiß (Kol 3,1), lebt anders unten:
Hoffnung gegen Resignation – Geschichte ist nicht zielloses Rauschen; ihr Endpunkt sitzt bereits auf dem Thron.
Dienst ohne Unterwürfigkeit – Der erhöhte Herr ist zugleich der Fußwascher; christliche Autorität ist gekniete Autorität.
Mut zur Öffentlichkeit – „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8) meint Agora, Social-Media-Stream, Hörsaal – überall dort, wo die Wolke heute landen will.
Liturgisches Echo
Die Glocken feiern heute kein Wegfliegen, sondern Thronbesteigung. Nach dem Evangelium wird das Regina Caeli gesungen: „Quia quem meruisti portare … resurrexit, sicut dixit.“ Ab jetzt könnte Maria hinzufügen: ascendit, sicut promisit – „er ist aufgefahren, wie er zugesagt hat.“
Schlussakkord – Kirche im Steigflug
Himmelfahrt bedeutet: Der Himmel ist nicht mehr geschlossen. Die Menschheit hat bereits einen Platz am Herzschlag Gottes; unser Leben ist Nachreise. Die Liturgie endet wie das Evangelium: „Geht!“ – und wir gehen, nicht um Abschied zu nehmen, sondern um den erhöhten König überall dort aufzurichten, wo das Babel alter Götzen noch raucht.
Christus ist aufgefahren!
Er lebt und herrscht in Ewigkeit – durch dich, durch mich, bis er wiederkommt.