Der Sommer steht in den Startlöchern, Rosen entfalten Duft und Farbe – und die Kirche lenkt den Blick auf etwas Wärmeres als jedes Sonnenlicht: das Herz Jesu. Seit Papst Leo XIII. 1899 die Welt dem Herzen Christi weihte, gilt der Juni als besonderer „Thermonuklear-Zeitraum“ göttlicher Liebe. Wer sich fragt, warum ein Organ in barocken Flammen Verehrung verdienen soll, muss nur das Johannesevangelium aufschlagen: „Einer der Soldaten stieß seine Lanze in die Seite Jesu, und sogleich flossen Blut und Wasser“ (Joh 19,34). Diese geöffnete Herzkammer ist Quelle von Taufe und Eucharistie – Sakramente des Neuanfangs.
Ein Herz, das lebendig schlägt
Im biblischen Denken ist das Herz kein Romantik-Symbol, sondern Schaltzentrale von Wille, Denken, Gefühl. Wenn Gott in Ez 36,26 verspricht, „ein Herz aus Fleisch“ zu geben, gipfelt das Versprechen in Jesus: Er trägt ein menschliches Herz, das göttlich liebt. Das Herz Jesu ist Inkarnation der Ur-Barmherzigkeit – es schlägt in der Krippe, leidet im Garten, brennt am Kreuz, triumphiert in der Eucharistie.
Vom Lauschen zur Leidenschaft – Margareta Maria Alacoque
Die modernen Formen gehen zurück auf die Visionen der hl. Margareta Maria Alacoque (17. Jh.). Jesus zeigte ihr sein Herz „offen wie eine Sonne“. Leo XIII. weihte 1899 die ganze Menschheit diesem Herzen; Pius XI. machte den Juni zum bevorzugten Andachtsmonat – nicht Romantik, sondern Weltpastoral.
Aus diesen Visionen erwächst:
die Neun Ersten Freitage – monatliche Beichte, Kommunion, Widmung an das Herz;
das Herz-Jesu-Fest (Freitag nach Fronleichnam);
die Praxis der Herz-Jesu-Weihe von Personen, Familien, Nationen.
Litanei zum Heiligsten Herzen: 33 Anrufungen, so viele wie die Jahre Jesu – Theologiekurs im Rhythmus des Atems.
Stunde der Anbetung am Donnerstagabend: mit Jesus im Garten wachen.
Biblische Quelle: Blut, Wasser, Feuer
Die Ikonen zeigen einen Herzmuskel, umflammt, umkränzt von Dornen und geöffnet von der Lanze. Dreifacher Code:
Blut (Joh 19,34) – die totale Selbsthingabe: „Er hat uns geliebt und sich hingegeben“ (Eph 5,2).
Wasser – Zeichen der Taufe und des Geistes; Reinigung und Neugeburt.
Feuer – Pfingstenergie; Liebe ist heiß, nicht lauwarm.
Damit verschmilzt das Herz-Symbol mit drei Sakramenten: Eucharistie, Taufe, Firmung. Pius XII. fasst es in „Haurietis Aquas“ zusammen: Aus dieser Quelle schöpft die ganze Kirche.
Gericht der Zärtlichkeit
Paulus warnt vor unwürdigem Kommunionempfang (1 Kor 11,27-29). Wer das Herzblut trinkt und gleichgültig bleibt, „isst sich das Gericht.“ Doch Gericht im biblischen Sinn ist Lichttherapie: Offenbarung dessen, was nicht lieben kann. Deshalb führt Herz-Jesu-Frömmigkeit unweigerlich zur Beichte. Die Wunde im Herz ist kein Loch zum Wegschauen, sondern zur Durchschauen der eigenen Abgründe – und zum Heilwerden.
Hausaltar
Die alte Praxis der „Herz-Jesu-Thronerhebung“ bleibt aktuell: Man hängt ein Bild auf, betet eine Weiheformel – nie als Aberglaube, sondern als Statement: Christus darf in diesem Haus Herzschlaggeber sein.
Fazit – Juni als EKG des Evangeliums
Wenn Ostern der Riss in der Realität ist, dann misst der Juni den Sinusrhythmus dieser neuen Schöpfung. Jede Litanei-Perle pumpt Liebe ins Alltagsblut; jede Sühne-Kommunion repariert globale Arteriosklerose. Halte deshalb im Juni öfter die Hand ans Brustbein der Kirche: Du spürst einen Schlag, der weit über 60 BPM liegt – Es ist das Herz, das für dich geschlagen wurde, schlägt und schlagen wird, bis die Welt vollendet ist.
Heiligstes Herz Jesu, erbarme dich unser!
Mach unser Herz deinem ähnlich – brennend, verwundet, unbesiegbar in der Liebe.