1 | Einleitung
Jedes Frühjahr flammt in Blogs, Talkshows und Social‑Media‑Feeds dieselbe Behauptung auf: „Ostern ist in Wirklichkeit ein heidnisches Frühlingsfest!“ Für Christen – zumal für Katholiken, die Ostern als „Fest der Feste“ bezeichnen – klingt das wie ein Frontalangriff auf das Zentrum ihres Glaubens. Doch hält der Vorwurf einer quellenkritischen Überprüfung stand? Die Antwort lautet: nein.
2 | Wortgeschichte: Easter, Ostern und Pascha
In fast allen Sprachen leitet sich der Name des Festes direkt von hebräisch פֶּסַח (Pesach) über griechisch Πάσχα (Pascha) her: Span. Pascua, Frz. Pâques, Niederl. Pasen usw. Wikipedia
Eine germanische Sonderentwicklung ist das altenglische Ēostre/Ēastre bzw. althochdeutsche Ôstara, das im 4. Monat (Ēostur‑mōnaþ) belegt ist. Diese Form findet sich in keiner anderen Sprachfamilie. Wikipedia
3 | Die einzige antike Quelle: der Venerable Beda
Der Mönch Beda Venerabilis erwähnt um 725 n.Chr. in De temporum ratione das Monatsnamen‑Paar „Rhed‑mōnaþ / Ēostur‑mōnaþ“ und stellt die Vermutung auf, der April sei nach einer lokalen Fruchtbarkeitsgöttin Ēostre benannt. Das ist die einzige (nicht‑mythologische) Erwähnung dieser Gottheit für mehr als 1 000 Jahre. Moderne Altertumswissenschaftler diskutieren daher, ob Beda ein echtes paganes Kultphänomen beschreibt oder lediglich eine Volksetymologie wiedergibt. Neuere epigraphische Funde der Matronae Austriahenae (150‑250 n.Chr.) deuten darauf hin, dass es zumindest einen Kultnamen mit demselben Wortstamm gab, doch seine Ausbreitung bleibt sehr begrenzt. Wikipediaglaemscrafu.jrrvf.com
4 | Warum „Ishtar“ kein Argument ist
Der Evergreen „Easter = Ishtar“ beruht auf reiner Lautähnlichkeit zwischen einem angelsächsischen und einem akkadischen Wort; historische Berührungspunkte fehlen vollkommen. Seriöse Sprachwissenschaft kennt das Phänomen als „falsche Etymologie“. Catholic Answers
5 | Entstehung und Datierung des Osterfestes
1.–2. Jh.: Die Urkirche feiert eine christliche Pascha‑Nacht in Anlehnung an das jüdische Pesach (vgl. 1 Kor 5,7‑8).
Quartodezimaner‑Streit: Feiern am 14. Nisan – egal welcher Wochentag – oder stets sonntags?
Konzil von Nicäa 325: Entscheidet verbindlich für den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond und ordnet die zukünftige Rechenregel (computus). New AdventEncyclopedia Britannica
Diese Debatten sind innerchristlich; heidnische Feste oder Götter spielen darin keine Rolle.
6 | Katholische Theologie: „Fest der Feste“
Der Katechismus der Katholischen Kirche fasst zusammen:
„Ostern ist nicht einfach eines unter vielen Festen, sondern das Fest der Feste, die Solemnitas solemnitatum.“ (KKK 1169) Vatican
Der Mittelpunkt ist das Paschal‑Mysterium: Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi. Alles andere – Kalenderregeln, Volksbräuche, auch der Name Ostern – bleibt sekundär.
7 | Volksbräuche zwischen Fasten und Frühling
Eier: Während der 40‑tägigen Fastenzeit waren Eier in der Westkirche verboten. Man kochte sie haltbar, sammelte sie und verschenkte sie nach Ostern. Die leere Schale symbolisiert seit dem 4. Jh. das leere Grab. WikipediaVirginia Tech News
Roter Farbstoff im Byzantinischen Ritus erinnert an das vergossene Blut Christi. Wikipedia
Hase/Kaninchen: Erst in frühneuzeitlichen deutschen Quellen belegt; vermutlich eine Allegorie für überreiche Fruchtbarkeit, später kindgerecht umdeutet. Keine liturgische Relevanz.
Selbst wenn einzelne Motive vorchristliche Symbolik (Frühling = neues Leben) aufgreifen, werden sie im Christentum inhaltsmäßig umkodiert und stehen nicht im Widerspruch zur Auferstehungsbotschaft.
Schluss
Die historischen Daten zeigen klar: Ursprung, Theologie und liturgische Praxis des Osterfestes sind zutiefst jüdisch‑christlich, nicht heidnisch. Der germanische Name Ostern ist eine sprachliche Randnotiz ohne kultischen Inhalt, und volkstümliche Bräuche wurden erst Jahrhunderte später integriert – genau wie Weihrauch, Krippen oder Orgeln in anderen Zusammenhängen.
Für Katholiken bleibt Ostern das Herz des Kirchenjahres: der Tag, an dem Christus den Tod besiegt. Die Frage „Ist Ostern heidnisch?“ lässt sich deshalb fundiert beantworten: Nein – es ist das älteste und christlichste Fest überhaupt.