Fron: kommt vom mittelhochdeutschen „vron“ und bedeutet „des Herrn“ oder „zum Herrn gehörig“. Es hat denselben Ursprung wie „fron“ in „Frondienst“ (also Dienst für den Herrn, den Grundherren).
Leichnam: klingt für uns heute nach „Toter“, das ist aber ein Bedeutungswandel. Im Mittelhochdeutschen bedeutete „lichnam“ einfach „Leib“, also Körper.
Fronleichnam bedeutet also wörtlich:
„Leib des Herrn“.
Und das ist genau der Fokus des Festes: Die reale Gegenwart des Leibes Christi in der Eucharistie.
„Festum sanctissimi Corporis Christi“ – „Fest des allerheiligsten Leibes Christi“
Die Osterglocken sind verklungen, Pfingstwind hat Feuerzungen verstreut – und doch bleibt das Wunder der Gegenwart Christi nicht in den Mauern der Kirche. Fronleichnam ("Leib des Herrn") schwingt die Türen in die Öffentlichkeit: Die Eucharistie, eben noch am Altar verhüllt, zieht in Monstranz und Baldachin durch Gassen und Felder. Aus liturgischer Innigkeit wird Prozession; aus „Nehmt und esset“ wird „Seht und glaubt“.
Melchísedek: der Ur-Priester mit Brot und Wein
Die erste Lesung (Gen 14,18-20) wirkt wie ein mythischer Blitz: Melchísedek, König von Salem, bringt Brot und Wein dar und segnet Abram. Ohne Stammbaum, ohne Ende – ein Priester „nach der Ordnung Melchísedeks“ (Ps 110). Die Liturgie liest das als Ouvertüre zur Eucharistie: Schon im Frühnebel der Genesis kündigt sich das Sakrament an, das nicht Tierblut, sondern Schöpfungsgaben opfert – Brot aus Erde, Wein aus Sonne.
Psalm 110 legt die Melodie tiefer: „Setze dich zu meiner Rechten … Du bist Priester auf ewig.“ Davidische Königsherrschaft verschmilzt mit priesterlicher Opfermacht. In der Messe erfüllt Christus beides: König auf dem Thron der Monstranz, Priester auf dem Altar des Kreuzes.
Paulus: Gedächtnis als Gegenwart
Fronleichnam zitiert aus 1 Kor 11 das älteste Eucharistie-Protokoll: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe…“. Zwei Imperative erklingen: Nehmt – Tut dies. Zwischen ihnen stehen die Formeln, die seit 2000 Jahren Brot und Wein verwandeln: „Das ist mein Leib … Das ist der Kelch des neuen Bundes.“ Paulus schärft ein, warum wir das wiederholen: „Sooft ihr esst und trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.“ Fronleichnam setzt genau hier an: Verkündigung nicht nur in Worten, sondern im Spaziergang des Leibes Gottes durch die Welt.
Lukas: Es reicht für alle
Das Evangelium (Lk 9,11b-17) erzählt von fünf Broten, zwei Fischen und 5000 Hungrigen. Die Jünger rechnen Defizit, Jesus rechnet Fülle. Er blickt zum Himmel, bricht, gibt den Jüngern – dieselben vier Verben der Einsetzungsworte. Multiplikation ist Eucharistie in Rohform: Gott beugt Naturgesetze, um Menschen zu sättigen, und überlässt das Austeilen der Kirche. Zwölf Körbe bleiben übrig; genug, um jedes Bistum, jede Pfarrei, jede Generation zu ernähren.
Prozession – Geografie der Gnade
Warum die Straße? Weil Gott Wanderer wurde (Ex 13 Wolkensäule) und Jesus Zelter (Joh 1,14 „wohnte unter uns“). Die Monstranz ist das „neue Bundeszelt“. Beim ersten Altar segnet Christus Häuser, an der nächsten Kreuzung Arbeitsstätten, am Feldrand die Schöpfung. Blumenteppiche, Weihrauchwolken, Glockengeläut – alles sagt: Hier kommt der Herr des Alltags, nicht nur des Altarraums.
Himmel: Baldachin – Erinnerung an die Wolke der Herrlichkeit.
Erde: Blüten – Lobpreis der Schöpfung, die ihr Schöpfer durchstreift.
Kirche: Träger der Monstranz – Laien, Priester, Kinder; ein Leib, ein Dienst.
Verehren heißt nähren
Die Hostie im Schaugefäß ist nicht Dekor, sondern Lebensmittel. Verehrung ohne Empfang wäre Hungerschaufenster; Empfang ohne Verehrung wäre Gedankenlosigkeit. Darum ruft Fronleichnam zum würdigen Kommunizieren – nach Gewissenserforschung und wenn nötig Beichte, wie Paulus warnt (1 Kor 11,27-29). Nicht Zensur, sondern Selbstschutz: Wer das Feuer anfasst, soll singen, nicht brennen.
Sozialer Sauerteig
Eucharistie treibt in zwei Richtungen: Adoration (nach oben) und Diakonia (nach außen). Benedikt XVI. schrieb: „Der Kult wird leer, wenn er nicht im Dienst mündet.“ Nach der Prozession beginnt der unspektakuläre Teil: Suppenküche, Pflegestation, Familienalltag. Die Hostie verschwindet, der Auftrag bleibt: selbst zur „lebendigen Monstranz“ zu werden, die Christus durch Lächeln, Geduld, Gerechtigkeit sichtbar macht.
Herzschlag aus Goldglas
Wenn der Priester am Schluss den Eucharistischen Segen erteilt, zeichnet er mit der Monstranz ein Kreuz in die Luft – eine unsichtbare Schneise, durch die Segen wie Licht einströmt. Fronleichnam erinnert: Himmel und Erde haben seit Gründonnerstag eine offene Verbindung. Jeder Tabernakel ist Spender dieser Gnade; jede Kommunion ein Empfangen des göttlichen Lebens; jede Prozession ein öffentliches Zeugnis der Barmherzigkeit.
O sacrum convivium, in quo Christus sumitur!
Nimm, sieh, geh – und lass dein Alltagspflaster zum Teppich werden, damit der König der Herrlichkeit auch morgen vorbeigehen kann.