Aus katholischer Perspektive ist Weihnachten vor allem das Fest der Inkarnation, also der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Dabei steht nicht der Hirt oder das Kind im Stall allein im Mittelpunkt, sondern das Geheimnis, dass der ewige Sohn Gottes unser Fleisch annimmt, um die Welt zu erlösen.
1. Theologischer Hintergrund
Weihnachten ist in der katholischen Kirche das Fest der Inkarnation – der Menschwerdung des ewigen Sohnes Gottes. Die liturgische Feier am 25. Dezember geht auf das 4. Jahrhundert zurück und wurde im Westen spätestens mit Papst Julius I. (337–352) allgemein festgesetzt. Bereits um 385 n. Chr. finden sich Hinweise, dass man in Rom und Nordafrika dieses Datum als Geburtsfest Christi beging. Die Wahl des 25. Dezember erfolgte jedoch nicht als direkte Adaption heidnischer Sonnenwend‑ oder Sol‑Invictus‑Feste, sondern beruhte auf innerkirchlichen Überlegungen und Kalender‑Traditionen.
Schon früh war man sich bewusst, dass die Evangelien kein genaues Datum für die Geburt Jesu angeben; stattdessen rückte das Geheimnis der Inkarnation in den Mittelpunkt. Daraus entstand der Brauch, neun Monate vor dem Geburtsfest die Menschwerdung liturgisch zu markieren. So legte man in der West‑ und Mitteleuropäischen Kirche den 25. März als Fest der Empfängnis Mariä – der „Verkündigung des Herrn“ (Annunziata) – fest. Dieses Datum betont den Akt, bei dem das Wort Fleisch wurde, und wird in der Liturgie bis heute gefeiert.
Die formale Datierung geht auf zwei frühchristliche Chronisten zurück: Hippolytus von Rom (um 200 n. Chr.) stellte in seinem Chronicon die Schöpfung der Welt auf den 25. März und rechnete exakt neun Monate weiter auf den 25. Dezember als Geburt Christi. Ebenfalls Sextus Julius Africanus (um 220 n. Chr.) setzte die Menschwerdung auf denselben Tag, um daraus als Folgedatum den 25. Dezember abzuleiten. Beide Kalkulations‑Traditionen legten den Grundstein für die spätere Festlegung im 4. Jahrhundert.
Theologisch begründet sich dieser Rechenweg in der Symbolik kosmischer Harmonie und Heilsgeschichte: Man ordnete Schöpfung (25. März), Inkarnation (25. März) und Kreuzestod (ebenfalls auf den 25. März gelegt) als zyklische Einheit und setzte die Geburt neun Monate danach in die Wintersonnenwende. So wird Christus als „Licht der Welt“ in eine der längsten Nächte des Jahres hineingeboren, ein Bild, das die vorherrschende christliche Deutung von Johannes 1,5 unterstreicht. Dieses symmetrische System entspricht einer antiken Auffassung von göttlicher Vollkommenheit, die in der frühen Kirche weit verbreitet war.
2. Der heilige Nikolaus und die Gaben am 6. Dezember
Bereits im frühen Mittelalter verehrte man den ehrwürdigen Bischof Nikolaus von Myra, dessen Leben Zeugnis tiefer Nächstenliebe und barmherzigen Handelns ablegte. Die Tradition, am 6. Dezember – seinem Gedenktag – den Kindern heimlich kleine Gaben (Nüsse, Äpfel, Gebäck) in die Schuhe zu legen, entsprang dem Wunsch, die karitative Haltung des Heiligen erfahrbar zu machen. Für Katholiken ist Nikolaus damit ein Vorbild für tätige Nächstenliebe und Fürsprache im Himmel.
3. Reformation und die Einführung des Christkinds
Im 16. Jahrhundert regte Martin Luther an, die Hervorhebung einzelner Heiligen zu reduzieren und stattdessen Christus selbst als Gabenbringer zu feiern. Daraus entstand in vielen evangelischen Gegenden das „Christkind“, das am Heiligabend die Geschenke bringt. Ursprünglich als protestantische Neuerung gedacht, wurde das Christkind ab dem 19. Jahrhundert auch in vielen katholischen Familien liebgewonnen und schließlich breit übernommen – vor allem in Süd‑ und Westdeutschland.
4. Vom Christkind zum Weihnachtsmann
Parallel entwickelte sich in protestantischen und säkularen Kreisen im 19. und 20. Jahrhundert die Figur des Weihnachtsmanns. Er verbindet Aspekte des heiligen Nikolaus (Gabenbringer), des Knecht Ruprecht (Begleiter und Mahner) und folkloristische Elemente. Durch literarische Erzählungen und Bilder (z. B. Thomas Nast in den USA) erhielt der Weihnachtsmann schließlich sein unverwechselbares Aussehen mit rotem Mantel, weißem Bart und Rentierschlitten.
5. Santa Claus im englisch‑sprachigen Raum
Der englische „Santa Claus“ geht zurück auf den niederländischen Sinterklaas, der im 17. Jahrhundert von Auswanderern nach Nordamerika kam. Im 19. Jahrhundert verschmolzen Gedichte wie „A Visit from St. Nicholas“ (1823) und Illustrationen zur modernen Figur. Heute ist Santa Claus weltweit bekannt und steht symbolisch für die freudige Erwartung der Kinder und das Schenken als Ausdruck göttlicher Liebe.
6. Katholische Deutung der Geschenke‑Tradition
Für die katholische Frömmigkeit sind diese verschiedenen Gabenbringer keineswegs Widersprüche, sondern Ausdruck unterschiedlicher Kulturformen, in denen das eine Geheimnis sichtbar wird: Gottes großzügige Zuwendung an die Menschen. Der heilige Nikolaus mahnt zu tätiger Nächstenliebe, das Christkind betont die unmittelbare Verbindung zu Christus als „Geburtstagskind“, und der Weihnachtsmann verkörpert die Freude am Schenken und Miteinander. Alle drei Gestalten bereiten das Herz auf das zentrale Fest vor: die Geburt des Erlösers.
Schlussbemerkung
Unter katholischem Blick bleibt Weihnachten zuerst das Fest der Eucharistie und der Verkündigung des großen Geheimnisses: „Das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Die liebgewordenen Bräuche rund um Nikolaus, Christkind und Weihnachtsmann sind dann wunderbare, kulturhistorisch gewachsene Formen, in denen die Kirche die göttliche Liebe erfahrbar macht – stets hinführend zu Christus, dem wahren Geschenk Gottes an die Welt.