Am dreiundzwanzigsten Sonntag im Jahreskreis geht es um die wahre Jüngerschaft: Nicht Halbwahrheiten, nicht lauwarmes Christsein, sondern radikale Nachfolge, die den ganzen Menschen fordert – Herz, Verstand, Besitz und Beziehungen. Gottes Weisheit allein macht die Pfade des Menschen gerade; wahre Freiheit und Brüderlichkeit erwachsen erst aus dem Kreuzweg mit Christus.
Die Lesungen im Überblick
Weisheit 9,13–19: Der Mensch erkennt Gottes Plan nicht aus sich selbst. Nur durch die Gabe der göttlichen Weisheit und den Heiligen Geist versteht er, was Gott gefällt. Sie allein rettet und macht unsere Wege gerade.
Psalm 90(89),3–4.5–6.12–13.14.17: Das Gebet des Psalms ruft zur Demut: Unsere Tage sind vergänglich wie Gras. Nur Gott kann uns lehren, unsere Zeit weise zu nutzen und unser Werk fruchtbar zu machen.
Philemon 1,9b–10.12–17: Paulus bittet um Aufnahme des Onesimus, nicht mehr als Sklaven, sondern als Bruder in Christus. Hier zeigt sich die neue Logik des Evangeliums: in Christus entsteht eine neue, wahre Gemeinschaft, die alle irdischen Schranken sprengt.
Lukas 14,25–33: Jesus ruft zur radikalen Entscheidung: Wer ihm nachfolgt, muss bereit sein, alles andere hintanzustellen, sogar Familie und Besitz. Jüngerschaft heißt, das Kreuz zu tragen und die Kosten bewusst zu überschlagen.
Heute feiert die Kirche die Heiligsprechung zweier junger Männer, die in völlig verschiedenen Zeiten lebten und doch denselben Weg gingen: Carlo Acutis und Pier Giorgio Frassati. Sie zeigen uns, dass Heiligkeit nicht Theorie ist, sondern gelebte Nachfolge, mitten im Alltag, mitten in der Welt.
Carlo wurde 1991 in Mailand geboren, in eine wohlhabende, eher säkulare Familie. Doch Gott stellte ihm früh eine stille Glaubensbotin zur Seite: sein polnisches Kindermädchen, eine tiefkatholische Frau. Sie nahm ihn mit in die Kirche, betete mit ihm und führte ihn in den Glauben ein. So lernte er die Schönheit des Gebetes und den Wert der Eucharistie kennen.
Das Entscheidende aber war, dass Carlo den Glauben ganz zu seinem eigenen machte. Mit sieben Jahren bat er um die Erstkommunion – ungewöhnlich früh, aber seine brennende Sehnsucht überzeugte die Priester. Von da an wurde die Eucharistie sein Lebenszentrum: tägliche Messe, Anbetung, Rosenkranz. Er sagte: „Die Eucharistie ist meine Autobahn in den Himmel.“
Seine Liebe zum Herrn verband er mit seinem Talent. Er war technisch hochbegabt, programmierte Webseiten und stellte das größte digitale Archiv über eucharistische Wunder zusammen. Für ihn war das Internet nicht Ablenkung, sondern Missionsfeld. Damit lebte er, was die Lesung aus dem Buch der Weisheit (Weish 9,17) sagt: „Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geist gesandt hast?“ – Carlo wusste, wahre Weisheit kommt von oben, nicht von menschlichem Denken.
Zugleich war sein Herz weit für die Armen: Er teilte sein Taschengeld, kaufte Schlafsäcke für Obdachlose, verteidigte Mitschüler gegen Mobbing. Als ihn mit 15 Jahren die Leukämie traf, sagte er: „Ich bin glücklich zu sterben, denn ich habe kein Leben mit Dingen vergeudet, die Gott nicht gefallen.“ Sein Leib, der unverwest blieb, ist ein Zeichen dieser Reinheit und Treue.
Pier Giorgio (1901–1925), Sohn einer einflussreichen, liberal-säkularen Familie in Turin, führte äußerlich das Leben eines Studenten: sportlich, fröhlich, voller Freunde. Doch sein Herz gehörte Christus. Er war Mitglied in katholischen Vereinen, betete täglich, empfing eifrig die Sakramente und nannte die Eucharistie „sein tägliches Rendezvous mit Jesus“.
Er stieg regelmäßig in die Berge – verso l’alto, „hinauf zum Gipfel“ –, ein Bild für sein geistliches Leben. Doch sein eigentlicher Weg führte in die Slums von Turin. Er besuchte Kranke, half den Armen, verschenkte Kleidung und Schuhe. Seine Liebe war nicht Sentimentalität, sondern klare, opferbereite Caritas: Christus in den Geringen zu dienen.
Und er wusste, dass wahre Liebe nicht schweigt, wenn Wahrheit und Kirche angegriffen werden. Darum engagierte er sich politisch: Er widersetzte sich dem aufkommenden Faschismus, kämpfte aber ebenso entschieden gegen den Kommunismus. Beide Ideologien waren für ihn falsche Heilsversprechen. Er folgte nicht dem, „was gut klingt“, sondern dem, was Christus als gut und wahr offenbarte. Inmitten ideologischer Verführung blieb er furchtlos katholisch, klar verwurzelt im Evangelium.
Sein Tod mit 24 Jahren durch Polio, die er sich vermutlich bei Kranken holte, war von heroischer Demut geprägt: Er verbarg seine Schmerzen, um die Familie nicht zu belasten. Erst bei seiner Beerdigung wurde sein verborgenes Apostolat offenbar – Tausende Arme kamen, um „ihren Freund“ zu verabschieden.
Diese beiden Heiligen lehren uns, dass Heiligkeit nicht jenseits unseres Alltags liegt. Sie haben nicht gewartet, bis das Leben „ernst“ wird, sondern das Evangelium sofort und kompromisslos gelebt. Sie haben ihre Talente – sei es Programmieren oder Bergsteigen – mit Christus verbunden und so unzählige Menschen zum Himmel gezogen. Ihr Geheimnis ist einfach: die Eucharistie als Mitte, die Armen als Brüder, das Kreuz als Weg.
Heiligkeit ist keine naive Nettigkeit, sondern radikale Christusliebe. Sie ist Weisheit von oben, sie ist konkrete Nächstenliebe, und sie ist Widerstand gegen das Böse – egal in welcher Gestalt es sich zeigt. Heiligkeit heißt nicht, „gut dazustehen“, sondern „gut zu sein“ in Christus.
Heute fragt Christus dich: Wo wirst du heilig? Wo lässt du dich von seiner Weisheit leiten, anstatt deinen Gedanken zu vertrauen? Wo siehst du im anderen nicht Rivalen oder Belastung, sondern Bruder und Schwester? Wo bist du bereit, auf Besitz, Ansehen, Bequemlichkeit zu verzichten, um das Kreuz in Liebe zu tragen?
👉 Carlo und Pier Giorgio stehen heute vor uns wie zwei Fackeln. Sie brennen jung und hell – und sie zeigen, dass Heiligkeit nicht irgendwann, sondern heute beginnt.