Mit dem ersten Advent beginnt nicht nur ein neuer Abschnitt im Kalender, sondern ein neues Jahr der Gnade. Die Kirche startet nicht mit einem Feuerwerk, sondern mit einer Kerze – einem kleinen, leisen Licht, das mehr sagt als alle Jahresrückblicke: Gott kommt. Noch nicht sichtbar, noch nicht laut, aber unwiderruflich unterwegs.
Advent heißt Ankunft. Doch wer ankommt, ist kein Fremder. Der, der da kommt, war schon immer da – im Wort, im Sakrament, im Herzen. Und doch will Er neu geboren werden in dir. Diese doppelte Spannung – Er war da, und Er kommt wieder – prägt den Advent. Wir erwarten nicht nur das Kind in der Krippe, sondern auch den König in Herrlichkeit. Darum ist der Advent kein sentimentales Vorspiel zu Weihnachten, sondern eine eschatologische Wachzeit: „Erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe“ (Lk 21,28).
Doch Warten ist in unserer Zeit fast unerträglich geworden. Wir klicken, streamen, bestellen – alles sofort. Aber Gott kommt nicht im Expressversand. Er kommt im Rhythmus der Liebe: langsam, leise, in der Geduld derer, die glauben. Advent heilt das verletzte Tempo der Seele. Er lehrt uns, dass nicht Geschwindigkeit, sondern Sehnsucht die Form der Heiligkeit ist.
Und eigentlich – oder besser: ursprünglich – war dieses Warten sogar von Fasten geprägt. Der Advent war in der alten Kirche eine Buß- und Fastenzeit, ähnlich der österlichen Vorbereitung. Manche katholische Gemeinschaften und östliche Kirchen halten das bis heute: weniger Lärm, weniger Genuss, mehr Raum für das Kommen Gottes. Fasten im Advent bedeutet nicht Traurigkeit, sondern Klärung – ein inneres Entleeren, damit Gott wirklich ankommen kann. Das Warten wird durch Verzicht schärfer, reiner, wacher.
„Bereitet dem Herrn den Weg!“ (Jes 40,3)
– das ist kein Straßenbauprojekt, sondern Herzensarbeit.
Jede Kerze des Adventskranzes brennt gegen die Dunkelheit in uns selbst.
Die erste ruft: Wach auf! – Gott ist größer als dein Alltag.
Die zweite: Vertraue! – Seine Zusagen gelten.
Die dritte: Freue dich! – Er kommt, auch wenn du Ihn noch nicht siehst.
Die vierte: Öffne dich! – Bald wird das Licht Fleisch.
So wird der Advent zum inneren Schulweg des Herzens: von der Schläfrigkeit zur Wachheit, vom Trostpflaster zum Vertrauen, von der Unruhe zur Anbetung. Der alte Charakter des Fastens erinnert uns daran, dass Wachheit nicht von allein entsteht – sie wächst, wo wir bewusst Raum schaffen, wo wir schweigen, verzichten, und den inneren Hunger nach Gott wieder wahrnehmen.
Maria ist die erste Adventsgestalt. Sie trägt Christus, noch unsichtbar, aber schon ganz real. In ihr leuchtet das Geheimnis des Glaubens: Das Größte geschieht im Verborgenen. Auch du trägst – wenn du glaubst – Gott unter deinem Herzen. Das ist die stille Revolution des Advents: Erlösung beginnt im Innern, nicht im Spektakel.
Advent ist nicht die Zeit des „Noch-nicht“, sondern des „Schon-unterwegs“. Gott wartet nicht, bis wir perfekt sind. Er bricht auf – in die Unordnung unserer Tage, in unsere Müdigkeit, in unsere Sehnsucht.
Darum ist das Warten selbst schon Gnade.
Jede Minute des Wartens ist Einladung zur Tiefe.
Jede Kerze ist ein Gebet: „Komm, Herr Jesus!“
Und wenn schließlich das Licht der vierten Kerze das Dunkel fast besiegt hat, dann ahnt die Seele, was Weihnachten wirklich bedeutet:
Nicht wir haben uns zu Gott aufgemacht – Er hat sich auf den Weg zu uns gemacht.
Advent heißt:
Das Herz lernt wieder, zu warten.
Die Zeit wird zum Gebet.
Und das Schweigen wird zur Wiege des Wortes.